DIE STORY
Jedes siebte Auto in Gladbeck fährt elektrisch, Flugtaxen bringen uns in Windeseile von A nach B, und die ELE versorgt Wohngebiete mit nachhaltiger Wärme – eine schöne Vision oder bald schon Realität? Wir werfen einen Blick in die Energiewelt im Jahr 2030.
Bild im Hintergrund
Von wegen Science-Fiction: Schon ab 2025 sollen die Flugtaxen des Münchner Unternehmens Lilium an zentralen Knotenpunkten in NRW abheben.
Zum Meeting in Düsseldorf bringt uns ein elektrisches Flugtaxi in 30 Minuten, ganz ohne Stau. Geheizt wird mit CO2-freiem Wasserstoff, produziert mit Windstrom in der Nordsee. Und wenn wir abends mit unserem Elektroauto in die Garage rollen, steht der Laderoboter schon mit dem Stecker bereit.
Klingt verlockend? Nicht alle dieser grünen Szenarien werden in naher Zukunft Realität werden. Aber die Art, wie wir Energie erzeugen und verbrauchen, verändert sich maßgeblich. Eine ganze Reihe von Technologien und Konzepten ist bereits auf den Weg gebracht. Und gebraucht werden sie dringender denn je, wenn das Ziel, Deutschland bis 2050 klimaneutral zu machen und damit den Klimawandel zu verlangsamen, zumindest annähernd erreicht werden soll.
30
Minuten braucht das Flugtaxi von Köln nach Münster.
Um nicht in wilde Spekulationen zu verfallen, werfen wir erst einmal einen Blick in das nächste Jahrzehnt. Wie sieht die Welt der Energie im Jahr 2030 aus? Wie erzeugen, transportieren und nutzen wir sie? Wie bewegen wir uns fort, und welche Veränderungen erleben wir direkt bei uns in der Region? Pilotprojekte und Studien zeichnen davon heute schon ein recht genaues – und spannendes – Bild.
Dass die Mobilität in Zukunft immer autonomer wird, lassen Einparkassistenten und Co. heute schon erahnen. 2030 könnte es in den USA und in China, die bereits einen gesetzlichen Rahmen für das autonome Fahren geschaffen haben, soweit sein. Beim Thema Umweltschutz dagegen herrscht im Verkehrssektor seit Jahren Stillstand, trotz des technologischen Fortschritts: 2020 stießen Pkw in Deutschland immer noch genau so viel klimaschädliches CO2 aus wie in den 1990er-Jahren. Der Grund: Die Antriebstechnik wird zwar effizienter, die Fahrzeuge werden aber auch immer schwerer und leistungsstärker.
Wie gut, dass 2021 das Elektroauto, noch lange als Exot auf unseren Straßen unterwegs, den Durchbruch schafft: Kaufanreize, Ladesäulen vor dem Supermarkt und die praktische Ladebox für den Heimgebrauch machen den umweltschonenden Antrieb alltagstauglich. Eine neue Modellvielfalt macht die E-Autos zudem begehrenswert: Vom Kleinstmotorwagen bis zum SUV reicht die Palette der Hersteller, die ihre Vorbehalte gegen den Elektroantrieb endlich über Bord geworfen haben. Bei den Neuzulassungen zeigt sich der Erfolg: Jeder siebte Pkw hatte 2020 einen rein- oder teilelektrischen Antrieb. 2030 sollen E-Fahrzeuge die Verbrenner dann endgültig überholen.
„Elektroautos sind so klimafreundlich wie der Strom, mit dem sie geladen werden.“
Klaus Müller, Technischer Beigeordneter der Stadt Bottrop
Das macht sich auch in den ELE-Städten bemerkbar: 2030 werden – so eine Mobilitätsstudie der Stadt Gladbeck – statt der aktuell mageren 0,85 Prozent schon 15 Prozent aller Pkw in Gladbeck elektrisch fahren. Damit sie alle bei Bedarf eine freie Ladestation finden, treibt die ELE gemeinsam mit allen drei Städten den Ausbau des Ladenetzes voran. Neben öffentlichen Ladepunkten stehen auch das Laden daheim und am Arbeitsplatz im Fokus, da das Stromtanken dort nach wie vor am beliebtesten ist. Woher der Strom für die E-Autos kommt, wird ebenfalls bedacht: Die Stadt Bottrop sieht für gewerbliche Flotten großes Potenzial in Photovoltaikanlagen, die rund die Hälfte des nötigen Antriebsstroms liefern könnten. Klaus Müller, als Technischer Beigeordneter der Stadt Bottrop am neuen Elektromobilitätskonzept beteiligt, setzt bereits privat auf die Kombination von Solarstrom und Elektroauto, denn: „Elektroautos sind so klimafreundlich wie der Strom, mit dem sie geladen werden.“
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65 %
soll der Anteil der erneuerbaren Energien am deutschen Strommix im Jahr 2030 betragen. Erreichbar ist das nur mit einem massiven Ausbau der Offshore- und Onshore-Windkraftanlagen sowie mit Photovoltaik.
Die wachsende Erzeugung von Ökostrom ist also der Schlüssel zur klimafreundlichen Mobilität. Die Windstromkapazitäten der Nordsee bieten für die Energiewende noch viel Luft nach oben. 2030 sollen die bisher 15 Gigawatt Nennleistung nach Plänen der Bundesregierung auf 20 Gigawatt ausgebaut sein. Auch der Übertragungsnetzbetreiber Tennet investiert rund 20 Milliarden Euro in den Ausbau der Stromnetze und in ein riesiges Windenergie-Verteilkreuz mit der Kapazität von zwölf Großkraftwerken. Das soll Deutschland, die Niederlande und Dänemark ab 2035 mit Ökostrom aus dem „Powerhouse Europas“ versorgen.
Damit die Stromnetze nicht der einzige Transportweg für die grüne Energie sind, bringen Unternehmen und Wissenschaft das Thema Wasserstoff mit großen Schritten voran. Beim sogenannten Power-to-X-Verfahren wird mit überschüssiger Windenergie synthetischer Wasserstoff erzeugt, der sich viel besser speichern lässt als Strom. Wird der beispielsweise als Kraftstoff für Brennstoffzellenbusse und -Lkw genutzt, stoßen diese statt Abgasen nur reinen Wasserdampf aus. Das macht das Verfahren zu einer Schlüsseltechnologie für die Energiewende.
Der saubere Energieträger kann außerdem dem Erdgas beigemischt und so über bestehende Leitungen transportiert werden. „Bis zu 20 Prozent Beimischung sind nach dem Stand der Forschung möglich“, so ELE-Experte Olaf Poppek. „Ein Fünftel unseres Erdgases könnte also durch Ökogas aus Windstrom ersetzt werden.“ Als Mitglied des h2-netzwerk-ruhr engagiert sich die ELE mit Kommunen und Forschungseinrichtungen dafür, das Potenzial des Energieträgers Wasserstoff nutzbar zu machen.
Nicht nur auf, sondern auch unter den Straßen kann das ELE-Land nachhaltiger werden: durch Wärmerückgewinnung aus Abwasser. Dabei wird Restwärme mit einem Wärmetauscher im Abwasserrohr aufgefangen und dem Heizkreislauf zugeführt. Ein solches „ectogrid“, ein lokales Nahwärmenetz, ist maßgeschneidert für das jeweilige Wohn- oder Gewerbequartier, das es versorgt. In Kombination mit Solarthermie, Erdwärme und Speichern versorgt das Quartier sich beinahe autark mit Wärme. „Wir sind bei dem Konzept nicht auf aufwendige Technik angewiesen“, erklärt ELE-Experte Dustin Krotki den Vorteil des Systems. „Wir kombinieren bereits bestehende Anlagenkomponenten wie Wärmetauscher und Blockheizkraftwerke geschickt miteinander, um Energie im gesamten Heizkreislauf zu sparen.“
14 %
der im Gebäudesektor in Deutschland benötigten Wärme könnte allein aus Abwasser gewonnen werden, das dem Heizkreislauf zugeführt wird.
Ein kleiner Beitrag vor Ort mit großer Wirkung: Rund 50 Prozent des Endenergieverbrauchs im Gebäudebestand entfielen 2020 im Schnitt auf die Wärmeversorgung. Zwei Drittel dieser Wärme verpuffen als Abwärme – eine Verschwendung wertvoller Ressourcen. Indem Versorger, Bauherren und Stadtplaner nicht jedes Gebäude einzeln betrachten, sondern Wärmenetze über ein ganzes Quartier hinweg planen, lassen sich Synergieeffekte nutzen – und Energie einsparen.
Die Wärmerückgewinnung aus Abwasser ist aufgrund der nötigen Erdarbeiten vor allem im Neubaubereich eine wirtschaftliche, grüne Alternative. Im ELE-Land steht die Nutzung daher für die Erschließung alter Zechengelände ganz oben auf der Liste. Gute Aussichten für die Standortentwicklung in unserer Region – auch wenn die Wärme aus dem Abflussrohr vielleicht nicht so spektakulär klingt wie Passagierdrohnen, mit denen wir dem Stau entfliehen können – die Umsetzung des ectogrids ist in deutlich greifbarerer Nähe. Und auch wenn wir im Jahr 2030 noch nicht mit 1.000 km/h mit dem Hyperloop in einer Stunde nach Paris düsen – auch mit einem Elektroauto schafft man die Strecke Gelsenkirchen–Paris mittlerweile ohne Ladestopp. Wenn das kein Argument zum Umsteigen ist!
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